Energie ist die Währung unseres Körpers. Alles, wirklich alles, was wir tun benötigt Energie. Ich rede jetzt nicht nur von Kilokalorien, aber auch das ist eine Einheit, in der man Energie messen kann. Keine Angst, dieser Artikel wird jetzt keiner von der Sorte, in dem ich dir sage du musst mehr Sport machen oder deine Kalorien zählen – bitte mit sowas am besten gar nicht erst anfangen.
Du weißt ja: Du musst einen Scheiß!
Heute geht es um Energie, nicht nur in Form von Bewegungsenergie. Wie du sicher schon bemerkt hast, kostet dich eine kognitive Tätigkeit wie z.B. Schreiben, Lesen, Planen oder Üben auch sehr viel Energie – da bewegst du dich unter Umständen aber nur wenig bis gar nicht. Damit dir ein bisschen klarer wird, worauf ich heute hinaus will möchte ich eine kleine Geschichte erzählen.
Vor über einem Jahr gab es einen Tag, an dem ich zwei Auftritte am selben Tag hatte. Grundsätzlich ist das etwas, womit ich keine Probleme habe. Ich spiele sehr gerne und war auch gut vorbereitet, sodass man von außen betrachtet sagen könnte: „Alles gut, das wird zwar anstrengend, aber ich schaffe das!“
Eine Stimme in mir, die damals noch sehr leise war, sagte mir aber schon Monate davor: „Lass es! Das wird zu hart!“. Es gab Diskussionen in mir, es gab Diskussionen außerhalb mit Lehrenden, Pro und Contra – am Ende habe ich mich entschieden, diese beiden Konzerte zu spielen. Ich hatte da große Lust drauf, es waren auch zwei sehr besondere Konzerte für mich und ich wollte nicht eins davon nicht machen, zugunsten des anderen. Klassische Entscheidungsproblematik. Also habe ich mich dafür entschieden, die Zähne zusammenzubeißen und das durchzuziehen. Man will ja auch kein Weichei sein oder Schwäche zeigen…
Dann kam der große Tag. Mir ging es sehr gut am Morgen und ich war guter Dinge. Nach dem ersten Konzert am Vormittag, hatte ich bereits einen halben Kreislaufkollaps. Das lag natürlich auch an der (zeitgenössischen) Musik, die ich dort spielte, aber auch an dem körperlichen Anspruch dieses Stückes an mich. Ich wusste innerlich zu dem Zeitpunkt schon: diese Stimme von vor ein paar Monaten – sie hatte Recht. Jetzt einzuknicken kam für mich allerdings nicht in die Tüte. Ich bin ja kein Schwächling…
Mittags hatte ich eine kurze Pause, in der ich mich ausruhen konnte. Dann ging es aber schon weiter zur Anspielprobe des nächsten Konzerts, in dem ich nicht nur über 60 Minuten spielte, sondern teilweise auch noch moderierte. Das hatte ich irgendwie energetisch nicht ganz so auf dem Schirm. Aber hey, ich bin ja hart im Nehmen…
Das zweite Konzert lief gut, ich merkte allerdings nach wenigen Minuten bereits, dass ich auf meinen persönlichen Notstromaggregaten umgestellt hatte. Oder wie ich so gerne sage, ich lief schon auf dem Zahnfleisch nach dem ersten Stück.
Das Konzert war rum und mein Körper signalisierte mir den Alarmstufe Rot Zustand. Ich hatte massiv meine energetische Grenze überzogen an diesem Tag und die Quittung dafür erhielt ich dann die kommenden Tage. Ich lag drei ganze Tage wie erschossen auf der Couch. Ich war nicht krank, also keinerlei Erkältungssymptome oder ähnliches, aber ich habe mich gefühlt, als hätte mich ein LKW überfahren und zwar mindestens zehn Mal. Mir tat alles weh, ich war einfach müde und antriebslos und ich habe zwischen 12 und 14 Stunden geschlafen über den Tag verteilt.
Warum ich dir das erzähle?
Mir wurde im Vorhinein von einigen Menschen gesagt, ich sei ja so ein Energiebündel und ich würde das locker schaffen. Von Menschen, die glauben mich so gut zu kennen, dass sie sogar meine Energiegrenzen kennen. Ich habe das geglaubt und es mir selbst auch eingeredet. Die Erkenntnis, dass niemand von außen das einschätzen kann außer mir selbst – traf mich hart und war ein Tritt in meine Eier(stöcke). Ausgelöst von mir selbst.
Praktischerweise bin ich selbstreflektiert und selbstkritisch, ich hatte das relativ schnell für mich klar. Aber eine Sache lies mich seitdem nicht mehr los: Menschen in meinem Umfeld wollen mir sagen was ich energetisch leisten kann und was nicht. Menschen in meinem Umfeld meinen zu wissen, was gut für mich ist und was nicht. Das ist keine Schuldzuweisung an diese Menschen, im Gegenteil, es ist ein Eingeständnis: ich darf und will Verantwortung für mich und meine Entscheidungen übernehmen.
Eigenverantwortung ist dieser Tage ein spannendes Thema. Darauf gehe ich auch in dem ein oder anderen Artikel noch mal näher ein.
Worauf ich heute abziele ist aber das Thema Energie und Grenzen unserer Energie. Die kennen nämlich nur wir selbst und so individuell wie wir Menschen sind, so individuell ist auch unser Energiehaushalt. Es ist unglaublich wichtig, dass du dir zugestehen darfst, nicht dieselbe Energie an den Tag legen zu müssen wie jemand in deinem Umfeld. Es kommt auch nicht nur auf unseren individuellen Energiehaushalt an, sondern auch auf unsere Motivation der Tätigkeit, für die wir die Energie bereitstellen.
Kurz gesagt: wenn du für etwas brennst und etwas richtig gerne tust, wirst du dafür viel mehr Energie bereitstellen können, als für eine Tätigkeit, an der du weder Freude empfindest noch in der du einen Sinn siehst. Wenn du zusätzlich am Motivationsfaktor auch noch gut bist in dem was du tust, durch Übung/Erfahrung oder einfach durch Talent, dann wirst du auch mehr Energie dafür haben bzw. energiesparender bei der Tätigkeit sein.
In unserem Mikrokosmos der Musiker*innen bedeutet das z.B., es gibt Menschen in unserer Branche, die kostet das Unterrichten von Schüler*innen mehr Kraft und Energie als andere. Das kann an der Erfahrung liegen, denn mit der Erfahrung wächst auch die Fähigkeit bestimmte Unterrichtsbausteine im Autopiloten zu unterrichten. Es kann auch daran liegen, dass man es einfach liebt Menschen Wissen und Fähigkeiten auf dem Instrument beizubringen. Wenn du liebst was du tust, fällt es dir viel leichter, als wenn du dich dazu zwingen musst. Leider ist aber auch eine sehr motivierte und leidenschaftliche Lehrkraft irgendwann mal ‚leer‘. Ich gebe immer gerne das Bild einer Energieanzeige (wie eine Tankfüllung im Auto) im Ampelsystem, also von Grün nach Rot. Es gibt einen Reserve Bereich, wie beim Auto, die dir sinngemäß sagt: „Bitte tanken – du kommst noch 50 km weit“. Wenn du das nicht machst? – Genau.
Das passiert uns Menschen auch. Da muss dann schlimmstenfalls auch der Abschleppwagen kommen…sinngemäß.
Wann bei dir diese Reserven angezapft werden, kannst nur du spüren. Wenn man es dir ansieht, dann ist es meistens schon zu spät. Du kennst bestimmt diese Sätze: „Boah, du siehst echt fertig aus. Hast du viel Stress im Moment?“. Ich denke mir dann immer, na vielen Dank auch. Aber oft ist das absolut korrekt und ich bin eigentlich schon lange im Reservenmodus und komme nicht mehr wirklich raus.
Wie du deine Energiereserven bzw. deinen Tank wieder auffüllst, darüber schreibe ich in einem anderen Artikel.
Einen Tipp zum Abschluss habe ich noch für dich:
Höre auf dein Bauchgefühl und wenn du nicht mehr kannst, dann lass es!
Fahre nicht zu lange in diesem Alarmstufe Rot Bereich, es kostet dich deine Gesundheit und deine Lebensfreude. Vertrau mir, ich weiß wirklich wovon ich spreche und bin da leider nicht sehr stolz drauf. Es gibt Menschen, die denken ein Beipass ist ein Leistungsnachweis oder nur wer richtig Stress hat arbeitet auch hart.
„Nur die Harten kommen in den Garten.“ Das ist Bullshit! Sorry für den harten Ausdruck. Die Harten kommen dann ggf. irgendwann ins Grab, da wachsen zwar auch Blumen, aber ich glaube diesen „Garten“ meinte man damit nicht…
Wenn du dich schon in den Zwanzigern ins Burn-Out oder in chronische Erkrankungen schießt, dann ist das kein Leistungsnachweis, sondern es einfach unfassbar beschissen. Du kannst deine Ziele nur erfolgreich erreichen mit einem gesunden Körper und einem gesunden Geist. Wenn eins davon am Arsch ist, wird das leider nichts.
Um deinen Körper gesund zu halten und das zählt für mich absolut ins Themenfeld Selbstmanagement, brauchst du ein gesundes Energiemanagement.
Stell dir ein paar Fragen, um dir darüber im Klaren zu sein, was für dich gilt und zwar nur für dich – nicht für andere:
- Was sind meine persönlichen körperlichen Anzeichen für Stress?
- Fällt mir spontan eine Situation ein, in der ich über meine Grenze gegangen bin und dafür die Quittung bekommen habe?
- Wie viele Pausen brauche ich am Tag oder in einer Woche und nehme ich mir die?
- Wo liegt die Grenze, über die ich nicht gehen sollte?
Die letzte Frage ist nicht unbedingt einfach zu beantworten und musst du auch nicht jetzt beantworten. Mein Ziel ist es mit diesem Artikel, dass du achtsamer mit deiner Energie umgehst und dir klar machst, dass nur du deinen Alltag bewältigen muss. Niemand macht das für dich, auch nicht die, die dir Ratschläge geben. Ich kann für dich diese Dinge nicht umsetzen, das tust du entweder selbst oder du lässt es.
Deine Entscheidung. Deine Gesundheit. Dein Energiehaushalt. Dein Alltag. Deine Verantwortung. Dein Leben.
Niemand hat darüber zu bestimmen oder sich einzumischen, aber du darfst diese Verantwortung annehmen und die Entscheidung das zu tun – ist einfach unbeschreiblich befreiend. Im ersten Moment vielleicht auch beängstigend, für seine Handlungen, seine Gedanken und seine Gefühle Verantwortung zu übernehmen. Manchmal auch erschreckend. Aber dann auch befreiend und es öffnet dir unfassbar viele Möglichkeiten und Chancen erfolgreich zu sein und deine Ziele zu erreichen.
Also bleib gesund und übernimm Verantwortung für deinen Körper.
Er wird es dir danken!