Corona-Alltag

Was soll ich sagen…mein letzter Artikel war am 11.04….und ich freue mich wahnsinnig jetzt gerade auf meinem Balkon in der Sonne zu sitzen – natürlich mit Kaffee – und einen neuen Artikel schreiben zu können. Denn eines ist sicher: am Wollen scheiterte es bei mir nicht, sondern am Können!

Ich weiß nicht wie es dir erging in den letzten Wochen, aber diese Situation konnte keiner vorhersehen, geschweige denn kann das jemand verstehen. Es ist nach wie vor surreal und völlig fern ab der Realität, die wir gewohnt sind. Ich möchte heute auch absolut nicht über Corona oder über meine Meinung zu dem Thema sprechen. Aber ich möchte über die Folgen sprechen. Folgen der Maßnahmen für dich und mich als Musiker/in, Musikpädagoge/in und/oder Künstler/in etc.

Ich habe am 17.03. noch einen Artikel geschrieben über eine Quarantäne-To-Do-Liste, mit Dingen die man machen kann, für die man nie Zeit hat oder genauer gesagt sich die Zeit dafür nie genommen hat. Witziger Fun-Fact: ich hatte noch nie so wenig Zeit für Dinge, die ich schon immer mal machen wollte, wie in den letzten sechs Wochen! Die Vorstellung einer Quarantäne, in der ich den ganzen Tag nicht weiß was ich mit meiner Zeit anstellen soll, war eine schöne Vorstellung – es blieb leider bei der Vorstellung. Die Realität sah etwas anders aus. Wie gesagt: es konnte keiner vorhersehen und ich möchte hier auch nicht auf hohem Niveau jammern, aber dieser Blog richtet sich bevorzugt an Musikstudierende oder Studierende und ich habe die Vermutung, dass es nicht nur mir so ging!

Zu Beginn der Corona Krise entwickelte sich immer mehr mein Alltag mit Online Unterricht, Online Seminaren und Kommunikation via Zoom/Mail/WhatsApp.

Was mir nicht klar war: die Kommunikation mit Eltern oder Lehrern zum Planen eskalierte in der Anfangszeit natürlich enorm. Stunden meiner Woche gingen nur dafür drauf, Termine abzuklären, Zoom Links zu erstellen, die unfassbar große Flut an E-Mails zu bewältigen, Unterrichte vorzubereiten, Material zu scannen, Play-Alongs einzuspielen, Tutorials aufzunehmen – und da hatte ich noch keinen einzigen Unterricht live via Zoom oder Jitsi gegeben! Am Anfang war ich dafür unglaublich dankbar. Ich merkte, dass ich weiterhin Geld verdienen kann. Meine Verluste durch Muggen hielt sich Gott sei Dank in Grenzen. Aber…

…ich bin sowieso gefährdet beim Thema Überplanung. Das ist meine größte Schwäche und es kam also wie es kommen musste. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich ein Workload durch Online Unterrichten, Online Studium, Workshoptätigkeit und Gremienarbeit, welcher sich auf ungefähr 60-70 Stunden die Woche belief. BÄM! Und glaub mir, ich hab das intuitiv kommen sehen, aber es überrollte mich zur Gänze, als es dann soweit war!

Die Vorstellung ich hätte in der Corona Krise Zeit viele Blogartikel zu schreiben, Podcastfolgen zu produzieren, neue Kurskonzepte zu entwickeln, zu Lesen, viel Sport zu machen, Auszumisten und zu Üben – ja die verpuffte ungefähr nach zwei Wochen. Meine Vermutung, dass es einigen Studierenden da draussen ähnlich geht, hat sich bereits durch Gespräche bestätigt. Denn eine Sache haben wir auch noch völlig unterschätzt: Wir Musikstudierende sind es absolut nicht gewohnt 8-9 Stunden vor einem PC/Laptop/Tablet zu hängen und dort zu arbeiten.

Ein Online Seminar jagt das nächste. Die Vor- und Nachbereitungszeit hat sich gefühlt verdoppelt, weil einige Lehrende dachten: ‚Na damit da bloß keine Langeweile bei den Studierenden aufkommt, können die ja dies und jenes auch noch machen!‘ – bitte nicht falsch verstehen, den meisten Lehrenden war auch das nicht klar. Denn wie oben bereits geschrieben, niemand konnte das vorhersehen. Üben zu Hause ist vielen einfach gar nicht möglich. Weil einem die Nachbarn, die ja auch alle zu Hause sind und z.T. auch im Home-Office arbeiten, einem einfach aufs Dach steigen, wenn man 4 Stunden lang Orchesterstellen oder Etüden rauf und runter übt.

Und dann kommt da eine Frage in mir hoch: Wofür übe ich überhaupt grade? Was soll das Ganze? Ich habe das nächste Konzert im Oktober, wenn das denn stattfindet. Probespiele wurden alle auf unbestimmte Zeit verlegt. Kann ja auch da keiner wissen, wann es wieder weiter geht. Ich bin ein sehr zielorientierter Mensch, war ich schon immer. Für meine Psyche auf der Ebene, waren die letzten Wochen auch eine große Herausforderung. Ich habe mich fokussiert aufs Unterrichten, Geld verdienen, Funktionieren.

Der Online Unterricht, ob man ihn nun gibt oder nimmt, ist wesentlich kräftezehrender als der Präsenz Unterricht. Die Rückmeldung habe ich nicht nur aus dem näheren Bekanntenkreis erhalten. Zeitweise hatte ich das Bedürfnis abends meinen geliebten Laptop einfach aus dem Fenster zu werfen. Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und Zeitmangel sind eine unfassbar beschissene Kombination!

Zusätzlich zu dem ganzen Workload, kam immer wieder die große Sehnsucht zu sozialem Kontakt. Ich vermisste das Bier/Kaffee trinken mit Freunden, die Small Talks in der Hochschule und vor allem die Kammermusik! Die fehlt mir nach wie vor am meisten. Ich habe mein Musikstudium vor sieben Jahren begonnen u.a. weil ich mein Leben lang Kammermusik machen wollte. Das erfüllt mich. Ich liebe das! Mit Menschen in Verbindung auf der Bühne Musik zu machen, das Publikum zu berühren, zu interagieren, die Sau rauszulassen, Spaß zu haben auf einer ganze besonderen Ebene. All das war von heute auf morgen einfach weg.

Es macht mich wütend, dass unsere Branche einfach so auf 0 gebremst wurde. Nach wie vor. Es geht mir da nicht nur ums Geld. Künstler arbeiten schon seit Jahrzehnten zum Großteil für eher weniger als mehr Geld. Ich habe diesen Beruf auch nicht gewählt um reich zu werden. Ich habe ihn gewählt, weil ich liebe was ich da tue. Ich motiviere junge oder ältere Menschen Musik zu machen, ich begeistere sie für Musik und stecke sie im Idealfall mit meiner Leidenschaft und Energie an. Das geht Online unter bestimmten Umständen auch ganz gut, aber nichts – gar nichts – ersetzt den persönlichen, menschlichen Kontakt live in Farbe und in 3D! Ich berühre Menschen auf der Bühne im Publikum und bringe sie für einen Moment weg aus ihrem Alltag in einen friedlichen Bereich ihrer Selbst. Ich löse Emotionen aus und kommuniziere mit Energie und Leidenschaft. All das ist einfach nicht mehr da!

So langsam kommen wir wieder zu einer „Normalität“ die ich dringend nötig habe. Ich halte mich natürlich an meiner Grundmotivation fest und vertraue darauf, dass es bald wieder möglich ist, all diese Dinge zu tun und zu fühlen. FaceTime mit Freunden und Familie haben mir sehr geholfen dadurch zu kommen. Ich hoffe bei dir war es genauso!

Ich bin für diese Menschen unglaublich dankbar!!! Und diesen Artikel widme ich allen wunderbaren Menschen, die mir in dieser Zeit durch diese Scheiß Corona Zeit geholfen haben – sorry ein bisschen fluchen am Ende musste sein!

Vergiss nicht! Du darfst das auch scheiße finden, du darfst dich drüber aufregen, du darfst weinen oder schreien oder jammern, du darfst es auch geil finden und feiern, dass du den ganzen Idioten draussen nicht mehr begegnen musst, es darf dir auch einfach egal sein. Alles ist erlaubt! Emotionen müssen raus und du musst dich auf keinen Fall dafür schämen, dass du nicht in der Zeit ein Roman geschrieben hast, ein Werk komponiert hast, ein Kunstwerk gemalt hast, einen Marathon gelaufen bist oder was auch immer…wenn du einfach sechs Wochen richtig in der tiefen emotionalen Scheiße gesteckt hast: dann Willkommen im Club! Es ging nicht nur dir so.

Einen wundervollen Tag wünsche ich dir – egal was du gerade machst! Denk immer daran:

Gemeinsam sind wir stark und wir schaffen das zusammen 😉

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