01.10.2015 – da waren wir stehen geblieben. Mein Umzug nach Wuppertal und der Beginn meines Studiums an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal bei Prof. Dirk Peppel. Ehrlich gesagt, ich konnte es nicht ganz fassen, als ich die ersten Tage dort Seminare besuchte und meinen ersten offiziellen Unterricht bei Dirk. Ich lernte sehr viele wunderbare Menschen kennen, mit denen ich heute noch sehr engen Kontakt habe und für die ich so dankbar war und bin. Die Clique in die ich reinkam war ein absolut verrückter und lustiger Haufen. Wenn ich mich genau erinnere, habe ich in meinem ersten Studienjahr in Wuppertal das gemacht, was man als Studentin mit 21 eben so macht. Ich hab mir mehrfach die Woche die Kante gegeben und war mehr als einmal nach drei Uhr erst zu Hause und kam am nächsten Tag verschlafen, mit großer Tasse Kaffee, in der Hochschule an zum Üben. Da ich in den ersten zwei Semestern keinen Unterrichtsjob hatte, sondern „nur“ studiert habe – ja, das gab es auch mal – und ich wirklich nicht viel zu tun hatte, außer zu üben und ein paar wenige Seminare die Woche, war das auch ohne Probleme möglich.

Fragt nicht, was in dem Glas ist 😀

Mein Wohnheimszimmer indem ich zwei Jahre wohnte, war der absolute Jackpot. Ich habe im 7.Stock des Wohnheims gewohnt und den geilsten Ausblick auf Wuppertal genossen. Zu einem Hammerpreis und wie sich später herausstellte, wohnten einige aus der Musikhochschule in dem Wohnheimskomplex. Das war natürlich sehr angenehm und gerade wenn man sich mal einsam fühlte, kein Problem.

Mein erstes Studienjahr war vor allem davon geprägt, wie ich das schon erwartet habe, meinen Ansatz umzustellen. Jede*r Bläser*in, die das schon mal machen musste, weiß was ich meine: es war zum Kotzen! Es ist ein bisschen so, als würde man teilweise sein Instrument neu lernen und plötzlich gar nichts mehr auf die Kette bekommen. Ich wusste, das war unumgänglich, ich vertraute meinem Prof und bin heute sehr dankbar, denn mein Klang wäre heute nicht so wie er ist, ohne diese Ansatzumstellung. Stundenlanges Töne aushalten und daneben, ganz normal Etüden und Stücke spielen, in der Hoffnung, dass es sich irgendwann überträgt und der neue Ansatz von meiner Muskulatur als „normal“ eingestuft wird und nicht als etwas, was sich fremd und komisch anfühlt.

Neben den Seminaren und dem Unterricht, war mein Studium gefüllt mit Orchester und Kammermusik. Endlich! Ich sag euch, das erste Erlebnis in der Historischen Stadthalle Wuppertal aufzutreten … das war wirklich atemberaubend, zum Flöte spielen natürlich dezent kontraproduktiv. Da ich schon ein bisschen Erfahrung hatte, durfte ich bei der 2.Sinfonie von Beethoven auf der ersten Flöte spielen. Es war wunderschön und hat wirklich wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Aber was wesentlich lehrreicher ist, als im Hochschulorchester zu spielen, ist eine Aushilfe in einem professionellen Orchester. Ich bekam über den Kontakt meines Professors die Anfrage für ein Kinderkonzert in Aachen im Sinfonieorchester. Ursprünglich wollten sie einfach nur Zoom Tube als außergewöhnliches Werk für die Flöte haben, dann fragte mich die Dame am Telefon, ob ich mir vorstellen könnte auf der zweiten Flöte für das Konzert auszuhelfen. Ich war völlig aus dem Häuschen und habe natürlich zugesagt. Das Wochenende rückte näher mit den Proben und dem Konzert und als ich dann sehr nervös und aufgeregt nach Aachen fuhr um 7.40 Uhr (um pünktlich dort zu sein), stand ich im Proberaum plötzlich mit offenem Mund vor der Bläsergruppe: da saß Dirk auf der Ersten Flöte. Moment, dachte ich, wie kann das sein, ich habe gestern noch mit ihm telefoniert und er hat nichts gesagt. Wie sich herausstellte, hatte Aachen ihn wirklich sehr kurzfristig angerufen für die Aushilfe in dem Konzert und er sagte grinsend zu mir: „Na, ich muss doch schauen, was meine Studentin hier so treibt und ob sie gut vorbereitet ist.“ – Na Dankeschön, nur kein Druck …

Es war aber überhaupt kein Druck. Es war einfach nur geil neben ihm zu spielen. Ich habe in den zwei Proben und dem Konzert gefühlt mehr über Orchesterspielen gelernt, als in einem Jahr Studium. Mal abgesehen davon, dass es sehr spannend war meinem Prof mal in einer anderen Rolle und auch charakteristisch ganz anders zu erleben, war es sehr einfach und angenehm unter ihm auf der Zweiten zu spielen. Wenn irgendwer gut führen kann, dann Dirk. Das Programm war sehr schön, einiges kannte ich schon, anderes hatte ich im Vorhinein natürlich geübt. Mein Solobeitrag Zoom Tube kam beim Publikum super an und Dirk war auch ganz begeistert, wie ich mich von der zweiten Flöte vor auf die Bühne schälte und meine „Show abgezogen“ habe. Somit hatte ich meine erste professionelle Aushilfe im Orchester in meinem zweiten Semester absolviert und mein Ansatz war zu dem Zeitpunkt tatsächlich viel besser als noch zu Beginn meines Studiums.

Dirk hatte die Angewohnheit im Unterricht Methoden vorzustellen und zu sagen „Wenn du das durchziehst, es dauert vielleicht etwas, aber dann wird es klappen und zwar immer!“ – wisst ihr was? Er hatte Recht! Mit Mozart Konzerten genauso, wie mit meinem Ansatz, meiner Fingerhaltung und meinen anderen kleinen Baustellen. Ich habe über ein Jahr die Triller des D-Dur Flötenkonzerts langsam geübt. Täglich. Er sagte, irgendwann könne ich es im Schlaf und man kann es einfach so abfeuern im Probespiel oder im Konzert. Und was war? Es stimmte.

Nach meiner Zwischenprüfung begann ich Probespiele zu machen, mein erstes Probespiel war direkt eins hier in der Gegend. Ein Probespiel für eine Akademie. Ich ging in der Erwartung dorthin, nach der ersten Runde Sushi essen zu gehen, da ich es eh nicht weiter schaffen würde. Ich hatte mir auch nichts außer einer Banane mitgenommen, denn ich wollte ja danach Sushi essen gehen. Dann kam ich dran, als 12. und spielte meinen Mozart. Dirk hatte Recht, ich konnte es einfach abfeuern, ich hatte es ja tausende Male langsam geübt und meine starken Nerven aus Stahl taten ihr Übriges. Nach der ersten Runde wurde plötzlich meine Nummer aufgerufen für die zweite Runde … What? Ne. Ich geh doch jetzt Sushi essen, dachte ich. Ich fragte sogar noch mal nach, ich konnte es gar nicht glauben und war demnach auch überhaupt nicht darauf vorbereitet. Ich vergurkte dann eine Orchesterstelle, denn ich war wirklich nicht fokussiert darauf und immer noch überrascht. Aber hey, es war mein erstes Probespiel, ich war in der zweiten Runde und mir war bewusst, wie toll das ist und nicht selbstverständlich!

Mein erster Auftritt in Mainz mit Charlie – meiner damals neuen Flöte.

Ein anderes leidiges Thema in meinem Bachelorstudium war meine Flöte. Zu Beginn meines Studiums stellte sich heraus, mit was für einem Schrotthaufen ich die ganze Zeit gespielt hatte. In meiner zweiten Stunde sagte Dirk: „Gib das Ding mal her …“ – er probierte die Etüde auf der Flöte und scheiterte selbst daran. Er sagte mir dann, das Instrument könne in den Schrank, ich bräuchte ein neues Instrument. Ja geil. Von welchem Geld? Er lieh mir vorerst seine alte (Jochen) Mehnert Flöte, mit C-Fuß, auf der ich tatsächlich bis Mai 2018 spielte. Ich sparte mir einen Ast und wusste nach wenigen Wochen auf seiner alten Flöte, ich möchte auch eine Mehnert Flöte haben. Es spielte mir ein bisschen in die Karten, dass mein Partner mit dem Sohn der Firma Mehnert in der Berufsschule zusammen war und wir heute noch sehr engen und freundschaftlichen Kontakt zu dem wundervollen Familienbetrieb in Ottenbach haben. (Absolut unbezahlte Werbung, aber von Herzen)

Ende des Jahres 2017 verkaufte meine Oma ihr Haus und meine Eltern eröffneten mir, sie könnten mir ein Darlehen geben, damit ich mir die Flöte endlich kaufen konnte. Es fehlte mir allerdings noch ein ganzer Batzen Geld. An Weihnachten 2017 stand ich mit meiner lieben Omi am Buffet und sie fragte mich ganz unschuldig: „Schatz, was brauchst du denn noch für die Flöte?“ und ich nannte ihr den Betrag. Sie schaute mich liebevoll an und sagte mir: „Ich schenk es dir, du musst es mir nicht zurückzahlen, ich helfe dir gerne!“. Wie ich dann Rotz und Wasser geflennt habe, könnt ihr euch denken. Ich konnte wenige Tage später meine Flöte in Auftrag geben bei Mehnerts und im Mai 2018 holte ich sie ab! Mein Baby Charlie 🙂

Ab diesem Zeitpunkt mit Charlie ging es bei mir flötistisch noch mal steil bergauf. Natürlich muss man sich auf einem neuen Instrument erst mal zurecht finden und lernen es vollkommen zu kontrollieren, das hat auch einige Monate gedauert – aber dann …

Die zweite Hälfte meines Bachelorstudiums war geprägt durch Muggen, ein Duoabend mit meinem lieben Freund und Kollegen Leonardo Pedroza, sowie einem Soloabend, den ich selbst organisierte und mit tollen Kammermusikkollegen spielte. In der ganzen Zeit war ich hochschulpolitisch sehr aktiv, arbeitete in der Bibliothek und unterrichtete Privat sowie an privaten Musikschulen. Ich tanzte, wie man so schön sagt, auf sehr vielen Hochzeiten und hatte einen sehr strammen Zeitplan. Die Erkenntnis heute? Der Workload war so heftig, dass es ein Wunder ist, dass ich nicht im Burnout gelandet bin. Ich würde heute nicht mehr so viel machen und mir selbst erzählen, das muss so sein. Ich arbeitete wie eine Wahnsinnige und übte 2017 auch noch für die Aufnahmeprüfung für Klavier Pädagogik. Doppelte Übe(r)dosis.

Fragt mich nicht, wie ich das angestellt habe, ich weiß es selbst nicht mehr.

Wir befinden uns auf der Zielgeraden auf mein Bachelorabschluss, den ich 2019 im Juli gespielt habe. Über den und über meine Masterstudium unter Coronabedingungen berichte ich im dritten Teil des Blogartikels.

Fortsetzung folgt!

2 Antworten zu „17 Semester später(Teil 2)”.

  1. Diese Zeile wecken schon ein paar Erinnerungen 🙂 Musikstudium ist einfach eine tolle Erfahrung!

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    1. Das glaub ich sofort ❤

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